Im Oktober 2019 bildete sich eine Forschungsgruppe am Forum Queeres Archiv München zu Paul Hoecker. Sie möchte das Leben und das Werk von Paul Hoecker erforschen und weitere Informationen zum Skandal um das Madonnenbildnis von 1898 sammeln.
Wir fordern, so bald wie möglich eine Straße oder einen Platz in München nach dem langjährig hier ansässigen Maler und ehemaligen Akademieprofessor Paul Hoecker zu benennen. Unterstütze den Antrag →
Der Maler Paul Hoecker (1854–1910) war der erste moderne Professor an der Akademie der Bildenden Künste München. Ein Skandal um eines seiner Gemälde zwang ihn 1898 zum Rücktritt von der Professur. Ihm wurde nachgesagt, dass ihm ein männlicher Sexarbeiter Modell als Jungfrau Maria für ein Madonnenbild gestanden habe, zu welchem er auch private Kontakte pflegte. Laut dem Roman „L’Élu“ (1902) von Achille Essebac handelt es sich dabei um das Gemälde „Ave Maria“, das sich in der Sammlung der Neuen Pinakothek München befindet. Bereits davor äußerte er sich in einem Brief an den Berliner Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld über den Paragrafen 175, der gleichgeschlechtliche Liebe seit 1872 kriminalisierte, und zu seiner eigenen Homosexualität:
Sie widmen Ihre Kräfte einem der humansten Zwecke, und mit Freuden sehe ich, wie viele Männer der einschlägigen Wissenschaften und andere hervorragende und einflussreiche Leute beitragen wollen, daß dieses grausame Gesetz beseitigt werde, allein ich kann Ihnen meine Unterschrift nicht geben, – weil ich selbst konträrsexuell veranlagt bin.
in: Hirschfeld, Magnus. Von Einst bis Jetzt, 1922, S. 108
Hoecker starb nach Aufenthalten u.a. in Capri und Rom 1910 an der „Römischen Malaria“ in München.
An Paul Hoecker zu erinnern ist jedoch nicht nur aufgrund seiner Biografie wichtig. Sein Œuvre umfasst ein ausgesprochen vielfältiges Motiv- und Themenspektrum, darunter u.a. holländische Alltagsszenen, religiöse Sittenbilder, Landschaften und humoristischen Pierrotbilder. Insbesondere ist jedoch Paul Hoeckers herausragende Rolle für die Münchner Kunst der Jahrhundertwende als Gründungsmitglied der Münchner Secession sowie als Professor an der Kunstakademie hervorzuheben. Mit seinen modernen Lehrmethoden, wie der Freiluftmalerei und der Schulung des individuellen Blickes, sollte Hoecker während seiner nur siebenjährigen Professur die bis dahin konservative Malereiausbildung an der Münchner Akademie revolutionieren. Fast alle Mitglieder der 1899 gegründeten Künstlergruppe Die Scholle waren Schüler in Paul Hoeckers Malereiklasse, genau wie ein Großteil der Illustratoren der damals neu gegründeten Zeitschriften Jugend und Simplicissimus. Seit der Nachlassausstellung 1913 verlieren sich die Spuren seines Gesamtwerks.
Hoecker Arbeiten wurden zu Lebzeiten u.a. in München, Berlin, Paris, Rotterdam, sowie auf der Weltausstellung in Chicago, USA (1893) und der Biennale di Venezia (1895, 1897, 1899) gezeigt. Seit der Nachlassausstellung 1913 verlieren sich die Spuren seines Gesamtwerks. Lediglich einzelne Gemälde wurden in den letzten Jahren in Gruppenausstellungen in der Akademie der Künste, Berlin (1997), Schwules Museum Berlin (2006), Villa Stuck, München (2008) und am Haus der Kunst, München (2008) gezeigt.
Ziele der Forschungsgruppe
- Erstellung eines Werk- und Ausstellungsverzeichnisses von Paul Hoecker mit Erschließung des Verbleibs der Arbeiten
- Sammlung weiterer Informationen über seine Aufenthalte in Italien nach seiner Entlassung an der Akademie der Bildenden Künste
- Vorträge zu Werk und Leben von Paul Hoecker mit eingeladenen Kunsthistoriker*innen
- Vorbereitung einer Ausstellung, bei der seine Arbeiten das erste Mal seit 1913 ausführlich gezeigt werden
- Vorbereitungen für eine Publikation zu Paul Hoecker
- Reintegration des Künstlers in das kulturelle Bewusstsein der Münchner Stadtgeschichte und Deutschen Kunstgeschichte
Wir stehen bereits in Kontakt mit verschiedenen Archiven und Sammlungen. Außerdem konnten wir den in Privatbesitz befindlichen Nachlass von Paul Hoeckers Nichte Vally Walter ausfindig machen und digitalisieren, der zahlreiche persönliche Dokumente und Fotografien des Künstlers enthält. Aktuell gehören der Gruppe Stefan Gruhne, Philipp Gufler und die Kunsthistorikerin Christina Spachtholz an.
Falls du weitere Informationen über Paul Hoecker hast oder dich ebenfalls für das Leben und die Arbeiten des Künstlers interessierst, nimm gerne Kontakt mit uns auf: forschung.hoecker@gmail.com