Am 9. Oktober 2019 ist die Wirtin Inge Greguletz (73) gestorben, die 34 Jahre das Szenelokal „Inges Karotte“ führte.

Inge wurde am 8. Juni 1946 in München geboren. Aufgewachsen in einer weltoffenen Familie mit großer Wohnung im Gärtnerplatzviertel kam Inge schon früh mit der Theater- und Opernwelt in Berührung. Einmal im Monat war Liederabend, da war das halbe Gärtnerplatztheater zu Gast. Zu dieser Zeit wurde der Grundstein ihrer Liebe zur Oper gelegt. Aber zuerst musste Inge ihren Weg finden. Mit 17 zog sie aus, wurde Industriekauffrau und arbeitete in einer Werbeagentur. Danach schlug ihre Mutter ihr vor, ins Ausland zu gehen. Als junge Frau landete sie auf der griechischen Insel Lesbos (!), um dort Kindern reicher Familien Deutsch beizubringen. In diesem Jahr genoss sie viele Freiheiten. Und doch kam sie wieder zurück in ihr München, zurück in ihr Viertel, in dem sie bis zu ihrem Tod lebte.
Dass sie lesbisch ist, wusste Inge schon als 15-Jährige. Freundinnen kamen und gingen, aber ihr lesbisches Leben hielt sie nicht davon ab, sich ihren großen Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. 1968 kam ihre Tochter zur Welt, und mit dem Vater ihrer Tochter blieb Inge zeitlebens freundschaftlich verbunden.
Inges Weg in die Gastronomie begann in den 1970er Jahren, als sie eine Frau traf, die unbedingt ein Lokal aufmachen wollte. Kurze Zeit später öffnete die „Karotte“ in der Baaderstraße ihre Türen – der Name bezog sich auf Inges rote Haare. Trotz einiger zwischenmenschlicher Komplikationen führte Inge das Lokal 34 Jahre lang, bis sie sich 2012 aus der Wirtinnenrolle zurückzog.
Inge liebte ihren Beruf, weil sie die Menschen liebte. Legendär waren die Travestieshows und die Faschingspartys. Die „Karotte“, später dann „Inges Karotte“, war für viele lesbische Frauen Heimat, Wohnzimmer und ein Ort, an dem sie einfach sie selbst sein konnten – in einer Zeit, in der viele lesbische Frauen nicht ohne Grund Angst hatten, offen zu leben, und es wenig bis keine Möglichkeiten gab, sich unter Gleichgesinnten zu treffen. Für Inge galt das nicht: „Mir persönlich war das egal, ich habe immer das gemacht, wonach mir war. Probleme hatte ich wegen meiner Lebensform nie.“ Bei ihr zählte der Mensch, stets hatte sie ein offenes Herz und Ohr für ihre „Zaubermäuse und Engelchen“, wie Inge ihre Kundschaft gerne nannte.
Nach ihrer aktiven Zeit als Szene-Wirtin war ihr leider nicht viel gute Zeit vergönnt. Am 9. Oktober 2019 starb Inge Greguletz an den Folgen einer langjährigen, schweren Krankheit. Rund 80 Menschen begleiteten sie am 11. November 2019 auf ihrem letzten Weg.