Das Forum Queeres Archiv München e. V. arbeitet an der kritischen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Homosexualität und Pädosexualität in München. Auch im Verein selbst eröffneten sich in den vergangenen Jahren bezüglich pädosexueller Diskurse und Personen Konfliktlinien.
Der Aufarbeitungsprozess begleitet die Vereinsarbeit. An dieser Stelle dokumentieren wir die Hintergründe, den aktuellen Stand sowie die zukünftig geplanten Maßnahmen der Aufarbeitung.
Warum braucht es eine Aufarbeitung?
Seit etwa 2010 werden aufgrund des Bekanntwerdens von Kindesmissbrauch in Institutionen wie Schulen, Kirchen und Sportvereinen verstärkt Aufarbeitungsbemühungen von Betroffenen und Politik eingefordert und durchgeführt. Aufarbeitungsprozesse befassen sich mit aktiver sexualisierter Gewalt, aber auch deren Kaschierung, Duldung oder Propagierung in institutionellen Kontexten und darüber hinaus sowie dem Umgang mit Betroffenen, Entschädigungs- und Präventionsmaßnahmen.
Auch beim Forum Queeres Archiv München e. V. (FQAM) eröffneten sich in den vergangenen Jahren bezüglich pädosexueller Diskurse und Personen Konfliktlinien. Zwar fand im FQAM eine schrittweise Sensibilisierung hinsichtlich Verstrickungen mit Pädosexuellen statt, jedoch keine umfassende Aufarbeitung. In der Kurzfassung der IPP-Studie wird die Situation wie folgt dargestellt:
Die vor allem in den 1970er und 1980er Jahren praktizierte Verschränkung pädosexueller Aktivisten mit der schwulen und in Einzelfällen auch der lesbischen Bewegung zeigt sich noch heute an verschiedenen Konfliktpunkten. Auch das Forum Queeres Archiv München e.V. (FQAM) steht seit einigen Jahren in einem intensiven Auseinandersetzungsprozess mit Vertreter*innen vor allem der lesbischen Bewegung, die eine deutlichere Abgrenzung des FQAM zu pädosexuellen Aktivisten und Positionen anmahnen. Ausgangspunkt des Konflikts war, dass Aktivisten 2017 und 2019 während bzw. im Nachgang von Veranstaltungen des FQAM sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern explizit befürworteten. Die Eskalation der Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern des Vereins lässt sich als Kulminationspunkt einer Geschichte von Versäumnissen und unbearbeiteten Konflikten verstehen. Diese haben sowohl mit allgemeinen gesellschaftlichen Diskursen zu Geschlecht und Sexualität als auch mit der spezifischen Entwicklung der Homosexuellenbewegung in München zu tun.
Sephir Arden, Franziska Behringer, Peter Caspari, Helga Dill, Heiner Keupp, Charlotte Müller: Solidarisches Schweigen. Umgang mit pädosexuellen Diskursen und Aktivisten im Forum Queeres Archiv München, München 2025. Link
Welche Begriffe werden wie verwendet?
Wir bemühen uns um einen achtsamen Umgang mit den Begrifflichkeiten und richten uns nach den Begriffsdefinitionen des IPP:
„Der Begriff der sexualisierten Gewalt umfasst alle Handlungen, die unter den Abschnitt der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im deutschen Strafgesetzbuch fallen, berücksichtigt zudem aber auch darüber hinaus, Verletzungen eines angemessenen Nähe- und Distanzverhältnisses.“ (S. 8)
Gemäß den Definitionen der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs „werden alle Täter*innen, die Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen begehen als pädokriminell bezeichnet“ (S. 8).
„Pädosexualität bezieht sich auf eine Sexualpräferenz, die sich auf Kinder oder Jugendliche richtet. Wir verwenden diesen Begriff im Zusammenhang mit Diskursen, die Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen fordern oder verharmlosen und beziehen auch Aktivist*innen ein, denen keine pädokriminellen Handlungen im eigentlichen Sinne nachgewiesen wurden. In diesem Sinne sprechen wir auch von pädosexualisierend, wenn die Kinder und Jugendlichen zu Objekten des sexuellen Begehrens von erwachsenen/älteren Personen degradiert werden.“ (S. 9)
„Wir sprechen von Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren), wenn es um minderjährige Personen im Sinne des Gesetzes geht.“ (S. 9)
Sephir Arden, Franziska Behringer, Peter Caspari, Helga Dill, Heiner Keupp, Charlotte Müller: Solidarisches Schweigen. Umgang mit pädosexuellen Diskursen und Aktivisten im Forum Queeres Archiv München, München 2025. Link
Welche Schritte hat das FQAM bisher unternommen?
Wichtige Ereignisse und Aktivitäten im Aufarbeitungsprozess des FQAM werden hier kurz vorgestellt.

2023: Veranstaltung „Homosexuellenvereine Münchens und Pädosexualität“
Ein erster Meilenstein der Aufarbeitung war die Veranstaltung „Homosexuellenvereine Münchens und Pädosexualität“, die das FQAM 2023 im Sub durchführte. Der kostenlos downloadbare Reader gibt die drei Vorträge wieder, die im Rahmen der Podiumsdiskussion zum Themenkomplex gehalten wurden. Referent*innen waren die FQAM-Mitglieder Christine Schäfer, Albert Knoll und Ariane Rüdiger.

2023/2024: IPP-Studie „Solidarisches Schweigen“ (externer Link)
Mit Unterstützung der Landeshauptstadt München konnte das FQAM einen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufarbeitung in Auftrag geben. Sie steht hier zum Download (externer Link). Das IPP ist ein sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut mit einem Schwerpunkt zum Themenfeld „Misshandlung und Missbrauch in Institutionen“. Es wurden mehrere Methoden eingesetzt: von der Analyse von Archivmaterial bis hin zu qualitativen Interviews mit (ehemaligen) Mitgliedern des FQAM sowie mit Zeitzeug*innen. Ziel war es, die Konfliktlinien nachzuzeichnen und zu analysieren, die im FQAM aufgrund der Verbindungen zu Aktivist*innen mit pädosexualisierenden Haltungen entstanden waren.

2025: Info-Veranstaltung zum aktuellen Stand der Aufarbeitung
Am 10. Mai 2025 wurden im Sub die Ergebnisse der Studie „Solidarisches Schweigen: Umgang mit pädosexuellen Diskursen und Aktivisten im Forum Queeres Archiv München“ vorgestellt. Wir haben die Veranstaltung mitgeschnitten und zum Nachhören bereitgestellt. Als erstes stellte Sephir Arden vom Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) die wesentlichen Ergebnisse der Studie vor. Danach ordnete Malte Täubrich von Dissens pädosexuelle Bewegungen in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs ein. Als letztes stellten Albert Knoll und Ariane Rüdiger vom FQAM die daraus abgeleiteten Maßnahmen vor.

Die Vorstandsmitpersonen Albert Knoll und Ariane Rüdiger berichten als FQAM-Repräsentant:innen über Ursachen und bisherigen Verlauf des vereinsinternen Aufarbeitungsprozesses bei der Konferenz „(Mit) Widerständen umgehen. Ein Update zur queeren Aufarbeitung“ in Berlin.
Die Konferenz wurde organisiert vom Spinnboden, der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, dem Schwulen Museum Berlin und der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung.

2025: Austausch mit Anlaufstellen für Betroffene
Aufbau von Kooperationen mit zwei Münchner Institutionen, die Opfer sexualisierter Gewalt beraten und sich um Prävention gegen sexualisierte Gewalt bemühen
Welche Maßnahmen plant das FQAM in Zukunft?
Das FQAM nutzt die gewonnenen Erkenntnisse der durch IPP erarbeiteten wissenschaftlichen Aufarbeitungsstudie, um durch geeignete Maßnahmen (Diskussionen, Vorträge etc) den Diskurs innerhalb der queeren Community Münchens zum Thema sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen anzuregen. Uns geht es dabei um das faktische Geschehen, aber auch um die Ausleuchtung der mentalen und kulturellen Hintergründe, die eine Duldung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bis ins 21. Jahrhundert hinein förderten.
Die Anerkennung Betroffener sexualisierter Gewalt in der Münchner queeren Szene fördern wir durch transparente Kommunikation, öffentliche Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen. Sie sollen wissen: Wir stehen an ihrer Seite! Mit unserer kontinuierlichen Fortführung von Aufarbeitungs- und Aufklärungsaktivitäten wollen wir unsere Solidarität mit den Betroffenen zeigen und gleichzeitig dazu beitragen, dass sexualisierte Gewalt in der Münchner queeren Szene keinen Platz mehr hat.
Wohin kann ich mich als betroffene Person wenden?
Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, können sich an unterschiedliche Anlaufstellen in München wenden. Die Kontaktdaten der Beratungsstellen stellen wir hier gern zur Verfügung.

Münchner Informationszentrum für Männer
Männer ab 18 Jahren, die
- sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erfahren haben,
- Kinderpornographie konsumieren und/oder sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausüben,
können sich an MIM (Münchner Informationszentrum für Männer) wenden. Das MIM strebt das partnerschaftliche, gewaltfreie Zusammenleben in gleich- und gegengeschlechtlichen Partnerschaften an und hinterfragt deshalb Rollen- und Sachzwänge. Die Teilnahme an Angeboten folgt den Grundsätzen von Einzel- und Gruppenarbeit. Für Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit bietet das MIM eine angeleitete Gruppe an, deren Ziel es ist, die Teilnehmer beim Aufbau eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen. Für Männer, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder ausgeübt haben und/oder Kinderpornographie konsumieren, bietet das MIM therapeutische Gruppen an. Ziel ist, sich selbst zu reflektieren, Selbstkontrolle zu erwerben und kein Täter mehr zu werden. Damit werden Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt geschützt.
Münchner Informationszentrum für Männer e.V., Feldmochinger Str. 6, 80992 München
Tel. 089/5439556

KIBS ist eine Beratungsstelle des KINDERSCHUTZ MÜNCHEN für Jungen* und junge Männer* bis 27 Jahre, die sexuelle Gewalt erfahren haben oder Zeuge von Beziehungsgewalt im häuslichen Umfeld geworden sind. KIBS unterstützt unabhängig von Herkunft, Kultur, sexuellen Identität, ethnischen Zugehörigkeit, Beeinträchtigung und Religion beim Umgang mit solche Situationen, den durch sie ausgelösten Gefühlen und Problemen. Alle Beratungen erfolgen unter Schweigepflicht. Fühlst Du Dich angesprochen? Dann melde Dich bei uns!
Telefon: 089/231716-9120
Mail: mail@kibs.de
Wer unterstützt uns im Aufarbeitungsprozess?
Bei der Aufarbeitung werden wir von vielen Organisationen begleitet und unterstützt:
- Kulturreferat der Landeshauptstadt München
- Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ
- Institut für Praxisforschung und Projektberatung
- KIBS (Kinderschutz München)
- Münchner Informationszentrum für Männer
- Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Großer Dank gilt allen Vereinsmitgliedern für die langfristige Unterstützung der Aufarbeitung.
Bei Rückfragen steht der Vorstand des FQAM e. V. gern zur Verfügung: info@forummuenchen.org

