Am Samstag, 15.2.2025, eine Woche der Bundestagswahl fand bundesweit der Aktionstag „Wähl Liebe“ statt – und damit der erste Winter-CSD. Für das Forum Queeres Archiv München hat Vorstand Albert Knoll am Gärtnerplatz in München diese Rede gehalten.

Lasst mich mit einem Rückblick beginnen.
Vor 100 Jahren lebte in München in Mann, dessen Biografie ich mir genauer angeschaut habe. Wilhelm Tag sein Name, ein Jude. Er lebte sehr selbstbewußt seine Sexualität mit anderen Männern. Er wurde denunziert und angezeigt und immer wieder nach Paragraf 175 verhaftet. Schließlich brachten die Nazis ihn ins KZ. Verzweifelt versuchte er aus Dachau und Buchenwald frei zu kommen und ins Ausland zu gehen. Die Asylgesuche, die sein Anwalt stellte, wurden allesamt abgelehnt. Ob die Niederlande, Frankreich, Großbritannien oder die USA, keiner wollte damals – 1938 – Juden. Und solche, die als Homosexuelle vorbestraft waren, schon gar nicht. Im letzten Augenblick konnte Wilhelm Tag nach Shanghai auswandern und überlebte die Nazizeit. Aber er musste erleben, dass die Menschenwürde in den westlichen Staaten des Völkerbunds nichts mehr galt.
Wie wird heute mit dem Recht auf Asyl umgegangen? Jede und jeder, deren/dessen Leben durch Krieg, Verfolgung, Umweltkatastrophen oder Hunger bedroht ist, hat ein Anrecht darauf.
2025 ist nicht 1933. Vor knapp 100 Jahren wurde in Deutschland binnen kürzester Zeit die Verfassung außer Kraft gesetzt, die Grundrechte entwertet, die Gewaltenteilung aufgehoben. Es folgte die Zerstörung des gesamten queeren Lebensumfelds, die Verschärfung des § 175 und das KZ.
Hier lohnt sich ein Blick auf die USA. Deren Vize Vance war am Donnerstag in der Gedenkstätte Dachau. Er sprach mit Überlebenden und machte ein nettes Gesicht in die Kameras. Einen Tag später plädierte er für die Kooperation mit der AfD, einer Partei, die den Stellenwert der Gedenkkultur herabwürdigt. NS-Opfer hat für sie keine Bedeutung.
Wir erleben einen Wertewandel, weltweit und auch hierzulande. Ein repressiver Thinktank befeuert uns seit Jahren mit Turbokapitalismus, Konsumwahn, Entsolidarisierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Antiislamismus. Demokratische Werte, wie das Recht auf Asyl werden angegriffen. Schwulen-, Lesben- und Transfeindlichkeit wird in die Öffentlichkeit gestreut und in Plattformen im Internet angeheizt. In Zeiten der Krise fällt all das auf fruchtbaren Boden und wird zum Mainstream. Die Alarmzeichen stehen für uns auf Rot – wir müssen uns wehren.
Unsere Aufgabe ist es, das Errungene zu schützen. Die queere Community hat in der letzten Generation viel erkämpft und gewonnen. Das ist es wert, verteidigt und abgesichert zu werden. Unsere Freiheit, unsere Sichtbarkeit im Alltag soll uns nie wieder genommen werden. Unsere Rechte dürfen niemals bei den Behörden enden – wir fordern, dass Polizei und Justiz auf unserer Seite zu stehen haben und nicht gegen uns. Wir kämpfen für ein geschütztes und vorurteilsfreies Leben miteinander. Wir wollen einen verfassungsmäßigen Schutz des Rechts auf freie Entfaltung aller queerer Menschen.
Die staatliche Förderung von queeren Projekten, die der Aufklärung und der Schaffung von queerer Infrastruktur dienen, muss gewährleistet sein. Da hat Bayern noch viel nachzuholen. Als Vertreter aus dem Vorstand des Forums Queeres Archiv München, das seit 25 Jahren wichtige Geschichtsarbeit leistet, fordere ich eine dauerhaft finanzielle Absicherung.
Schließlich mein Appell: macht mit beim Widerstand gegen die populistischen Volksverführer, lehnt euch gegen den Rechtsruck auf, seid solidarisch mit allen, deren Rechte beim derzeitigen Wertewandel gefährdet sind.